Niederösterreich: Göllersdorf
Niederösterreich
Die Gartenanlage von Schloss Schönborn in Göllersdorf
Im westlichen Weinviertel etwa 30 km nordwestlich von Wien liegt zwischen den Ortschaften Göllersdorf und Mallebarn die heute vornehmlich als Golfanlage genutzte Schloss- und Gartenanlage Schönborn. Mit etwa 95 ha ist sie nicht nur einer der größten historischen Gärten Österreichs. In ihrer ehemaligen, heute nur mehr durch die bauliche Rahmung ablesbaren hochbarocken Gestaltung, die ab dem Ende des 18. Jahrhunderts verlandschaftlicht wurde, zählt sie als Vorgängeranlage des Belvederegartens in Wien auch in gartenhistorischer Hinsicht zu den bedeutendsten historischen Gärten Österreichs.
1710 erwarb der Reichsgraf Friedrich Carl von Schönborn (1674-1746) im Namen seines Vaters Melchior Friedrich Graf von Schönborn (1644-1717) die Herrschaften Göllersdorf, Mühldorf und Aspersdorf vom Bischof von Wiener Neustadt, dem Grafen Franz Anton von Buchheim.
Friedrich Carl von Schönborn residierte seit 1703 als Sondergesandter seines Onkels, des Mainzer Kurfürsten und Erzbischofs Lothar Franz von Schönborn (1655-1729), in Wien. Ein Jahr nach seiner Ernennung zum Reichvizekanzler begann dieser 1706 den Bau seines repräsentativen Gartens und Palais in der Wiener Laudongasse durch Johann Lucas von Hildebrandt (1668-1745), der in der Folge zu seinem Hausarchitekten wurde.
In Göllersdorf hatte der bauwütige Reichsvizekanzler das neuerworbene kleine Schloss, das heute als Justizvollzugsanstalt dient, wohl nie als Ansitz vorgesehen. Vielmehr wollte er die auf halbem Weg nach Mallebarn liegende Mühlburg zum prächtigen Landsitz ausbauen. Er beauftragte Hildebrandt vermutlich noch 1710 mit der Planung, die sich über mehrere Jahre erstrecken und zum ersten Höhepunkt im gartenkünstlerischen Schaffen Hildebrandts werden sollte.
Als 1712 der Rohbau des neuen Schlosses bereits weitgehend unter Dach stand, begann man mit den Detailplanungen zur Gartenanlage.
Das gesamte Gartenareal war als querrechteckige Fläche mit den beachtlichen Dimensionen von über 1,3 km Breite und einer Länge von über 0,75 km angelegt und von einer Mauer umgeben. Der Hauptteil des Gartenareals war als Fasangarten gestaltet, der durch ein symmetrisches Netz aus Orthogonal- und Diagonalalleen erschlossen wurde. Auf deren zentralen Kreuzungspunkten wurden Springbrunnen und Pavillons angelegt. Als zentrale Querachse der Gartenfläche diente der eigentlichen Schloss- und Ziergartenbereich, der sich als schmales Band von etwa 120 m Breite quer durch das Gartenareal erstreckte. Er war ebenfalls vollständig von einer Mauer und dem um den gesamten Lustgarten geführten Mühlbach umgeben und teilte den Fasangarten in zwei quadratische Hälften.
So bildete die Schloss- und Ziergartenachse einen abgeschlossenen eigenen Bereich innerhalb der Göllersdorfer Gesamtanlage, der zwar weniger als ein Zehntel der gesamten Fläche ausmachte, aber den Höhepunkt des "Königreichs" des Reichvizekanzlers bildete.
Von Göllersdorf kommend erreicht man auch heute noch über die zentrale Haupteinfahrt im Nordwesten den langgestreckten Vorbereich des Schlosses. Der sich konisch zum Schloss erweiternde Vorhof mit seinem großen zentralen Wasserbecken und den heute nicht mehr erhaltenen seitlichen, eingeschoßigen Nebengebäuden nimmt bereits die Ehrenhofsituation des oberen Belvederes in Wien vorweg. Die langen Seitenflügel des Schlosses bilden mit ihren vorgesetzten Nebengebäuden einen tief gestaffelten Ehrenhof. Durch das zentrale Vestibül im Erdgeschoß des Schlosses erreicht man direkt die dahinterliegende Sala terrena, die heute als Salon des Golfclubs dient.
Aus der reich stuckierten Sala terrena tritt man in den Lustgarten. Dessen Planung und Ausführung hatte einige Jahre in Anspruch genommen und fand erst 1719 ihren Abschluss. Wie auch Friedrich Carl seinem Onkel den Architekten Hildebrandt für Planungen und Beratungen zur Verfügung stellte, schickte Lothar Franz 1714 seinen Architekten Maximilian von Welsch (1671-1745) seinem Neffen, der Friedrich Carl seinen "bau- auch wasser- und orangeriewurm mit stattlichen einfällen und rissen verbessert[e]". Der Hauptverdienst an der Konzeption des Lustgartens gebührt jedoch Johann Lucas von Hildebrandt.
Dem Schloss war ein von Alleen und Statuen begleitetes Broderieparterre vorgelagert. Zwei Springbrunnen an dessen Ende leiteten zum zweiten Teil des Gartens über, der durch die große Kaskadenanlage gebildet wurde.
Sie bestand aus einem langgestreckten Wasserbecken in der Mittelachse des Gartens, dessen Endpunkt der eigentliche, halbkreisförmige Kaskadenbrunnen bildete. In ihrem Mittelpunkt befand sich die, den Berg Parnass symbolisierende Kaskade, die von Pegasus flankiert, von Herkules und Apoll bekrönt wurde. Die seitlich ausschwingenden Beckenwangen mit Muschelbrunnen zierten acht Musenfiguren. Die heute vollständig verlorene Brunnenanlage war die erste große Kaskade des österreichischen Barocks.
Für die Gestaltung der anschließenden zwei Gartenteile gab es zunächst unterschiedliche Pläne. Auf das Parterre und die große Kaskade sollte wie im barocken Garten üblich ein Boskettbereich folgen. Ein unverzichtbares Muss war für Friedrich Carl von Schönborn auch eine Orangerie. Zuerst dürfte Hildebrandt eine im Bereich des Fasangartens vorgesehen haben. Der 1714 angereiste Architekt Maximilian von Welsch riet aber dazu, die Orangerie als Blickpunkt dem Schloss gegenüber hinter die Kaskade zu setzen. Friedrich Carl nahm diese Idee auf. Nach durchaus längeren Überlegungen entschied er 1716, die Orangerie nicht hinter die Kaskade, sondern nach dem Boskett an das Ende des Gartens vor den unmittelbar daran geplanten Meierhof anzulegen. So wurde im Anschluss an die Kaskade das Boskett als immergrünes Eiben-Heckenwäldchen mit zentralem Springbrunnen errichtet.
Den Abschluss des Lustgartens bildete nun die 1718 fertiggestellte Orangerieanlage, die das erste Meisterwerk der vielgestaltigen Orangeriebaukunst Johann Lucas von Hildebrandts werden sollte. Sie ist, umgebaut und verändert, als einziger Teil des barocken Lustgartens bis heute erhalten und gibt so noch eine gewisse Vorstellung von der gartenkünstlerischen Raffinesse des schönbornschen "Königreiches". Sie besteht aus dem Sommeraufstellungsplatz in Form einem querrechteckigen Platz, dem in der Mittelachse des Gartens ein längsovales Feld eingeschrieben ist. Das Mittelfeld wurde als ovales Wasserbecken ausgeführt, das heute nur mehr als ovales Rasenfeld ablesbar ist. Die seitlichen Rechteck-Felder dienten der Aufstellung der Orangeriebäume. Dieser Platz wird durch die Orangeriebauten umfasst, die einen schützenden Hof bilden. Sie bestehen aus vier entlang der Gartenachse spiegelbildlich angeordneten Pavillons, von denen die beiden jeder Seite durch Flügelbauten verbunden sind. Zum Garten hin wird der Hof der Orangerie durch eine halbkreisförmige Balustrade mit zentralem Durchgang abgeschlossen. Den gegenüberliegenden eigentlichen Gartenabschluss bilden zwei viertelkreisförmig ausschwingende Bogengänge, deren Attika einen reichen Figurenschmuck trägt und die ehemals als offene Galerien dienten. Zwischen ihnen öffnete eine heute verlorene Triumphpforte mit zwei auf Obelisken thronenden vergoldeten Adlern den Blick in die Landschaft.
Drei der vier Pavillons dienten als Orangeriehäuser, die verbindenden Flügelbauten als Glashäuser. Der vierte, an die rechte Galerie anschließende Pavillon beherbergte die Sommerzimmer des Reichsvizekanzlers. Die drei teils stuckierten, teils freskierten und mit Stuckmarmor dekorierten Zimmer hatte Johann Rudolf Byss ausgemalt. Die neben reicher floraler und Grotesken-Dekoration auf die antike Götterwelt und die Metamorphosen des Ovid bezugnehmenden Raumausstattungen sind trotz starker Beschädigungen heute zum größeren Teil (teilweise restauriert) erhalten und gehören zu den qualitätsvollsten des österreichischen Barocks.
Mit diesen Sommerzimmern und den ehemals offenen Galerien wird die Orangerieanlage zugleich auch zu einer Art Orangerieschloss und damit zum - neben dem unteren Belvedere - einzigen Vertreter dieses hochbarocken Bautypus in Österreich. Durch die Größe und Ausdehnung der Orangerieanlage über die gesamte Breite des Lustgartens und ihre Positionierung als den Garten abschließendes Pendant zum Schloss kündigt sich auch bereits die Form der Doppelschlossanlage mit dazwischen eingespanntem Garten an, wie sie in unmittelbarer Folge im Belvedere verwirklicht wird.
Zugleich hatte die Orangerieanlage auch die Funktion den unmittelbar dahinter anschließenden Meierhofbereich zu verdecken, der bis heute den eigentlichen Abschluss der zentralen Gartenachse bildet. Durch die Arkadenflügel der Orangerie öffnet sich der Blick daher ungestört in die Landschaft. Diesem Ausblick setzte Hildebrandt später auch auf der gegenüberliegenden Seite der Schloss- und Gartenachse ein Pendant entgegen. 1729-1733 schuf er etwa 500 m vor der Schlosszufahrt mit der Johann-Nepomuk-Kapelle auch einen Point de Vue, mit dem auch auf der Schlossseite die Gartenachse in die Landschaft hinausreichte. Außerhalb des eigentlichen Lustgartens flankierten noch zwei in den Fasangartenteilen gelegene Gartenbereiche den Orangerie- und Meierhofbereich.
Südwestlich befand sich der große Potager. Mit seinem geometrisch komplexen Grundriss, seinem Wegenetz aus orthogonalen, diagonalen und kreissegmentförmigen Wegen, den drei Springbrunnen und den drei Treillagepavillons stellte er den wohl aufwendigsten Obst- und Küchengarten der habsburgischen Erblande dar und stellte gartenarchitektonisch sogar den "Potager du Roi" in Versailles in den Schatten.
Der zweite Gartenbereich, der südwestlich an Orangerie und Meierhof anschloss, stand seinem Pendant in nichts nach. Es war ein großes Gartentheater und damit eines der wenigen Beispiele dieser Gartenarchitektur in Österreich. Auch hier wurde auf eine möglichst aufwendige Ausgestaltung Wert gelegt. Das eigentliche Theater wurde von Bosketten flankiert und war mit insgesamt vier durch den Mühlbachkanal verbundenen Brunnenbecken und einem Gartenkabinett ausgestattet.
Das "Königreich", das Friedrich Carl von Schönborn geschaffen hatte, zählte zu den aufwendigsten, reichhaltigsten und bedeutendsten Gartenanlage in den österreichischen Erblanden, überlebte seinen 1746 verstorbenen Erbauer aber in seiner barocken Gestaltung nur um wenige Jahrzehnte.
Unter seinem Erbe Eugen Franz Erwein Graf Schönborn (1727-1801) wurde der Park im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts schrittweise in einen Landschaftsgartens umgestaltet. Der eigentliche barocke Lustgarten blieb zunächst, gärtnerisch vereinfacht, bestehen. Ein 1783 vom Geometer Franz Olbich gezeichneter Plan weist bereits die begonnene landschaftliche Umgestaltung des nordöstlichen Fasangartens mit dem neugeschaffenen großen Teich aus. Mit einer Fläche von knapp vier Hektar und seiner Buchten, Landzungen und Inseln schaffenden bewegten Uferlinie bildet er bis heute ein wesentliches Gestaltungsmerkmal des schönbornschen Landschaftsgartens. Den zeitgenössischen Gestaltungsideen entsprechend wurde er auch mit Staffagebauten versehen, darunter einem achteckigen chinesischen Pavillon auf einer kleinen Insel, der 1965 rekonstruiert wurde. Am anderen Ende des Teiches entstand auf einer kleinen Halbinsel der bis heute erhaltene Apollotempel. Im neu geschaffenen landschaftlichen Teil wurden einigen Skulpturen aufgestellt, darunter eine von Franz Zauner 1794 geschaffenen Statue der Göttin Demeter. Der zunächst beibehaltene barocke Lustgarten wurde um 1808 in die englische Anlage einbezogen.
Die franziszeische Katasteraufnahme von 1822 zeigt statt des Parterres, der großen Kaskade und der Boskette nun eine große, von Einzelbäumen und Gebüschen gesäumte Wiesenfläche vom Schloss bis zur Orangerie, die nahtlos in den landschaftlichen Fasangartenteil übergeht.
Nur ein Teil des ehemaligen nordöstlichen Fasangartens wurde nicht in die englische Anlage einbezogen. Auf dem Areal des barocken Gartentheaters entstand ein neuer, regelmäßig angelegter Obst- und Gemüsegarten, während der barocke Potager aufgegeben wurde. Der vollständig von einem Wassergraben umgebene neue Potager wurde erst im 20. Jahrhundert nicht mehr benutzt.
Der südwestliche Fasangartenteil wurde gänzlich von den landschaftlichen Umgestaltungen ausgenommen und blieb bis ins späte 20. Jahrhundert als Forstgarten in Verwendung. Bis auf das zentrale Wegekreuz verloren sich jedoch alle Spuren der ehemals aufwendigen barocken Gestaltung.
In dieser Form konnte die Schloss- und Gartenanlage, zwar mit manchen Vereinfachungen und zunehmender Reduktion der Pflege, doch weitgehend unverändert bis in die späte zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts überdauern. Ende des 19. Jahrhunderts wurde in Anlehnung an das barocke Broderieparterre vor dem Schloss ein kleines, noch erhaltenes neobarockes Parterre aus Buchshecken und Eibenkegeln angelegt.
Nur die Orangerieanlage wurde stärker verändert: Die Orangeriepavillons wurden bereits zur Jahrhundertwende in Landarbeiterwohnungen umgebaut, die Sommerzimmer durch unsachgemäße Nutzungen stark beschädigt und das zentrale Wasserbecken der Orangerie zugeschüttet.
Die stärkste Veränderung traf die Gartenanlage durch die zwischen 1986 und 1988 erfolgte Umgestaltung in eine 27-Loch-Golfanlage. Das Golfareal umfasst heute nicht nur den ehemaligen Landschaftsgarten, sondern bezog auch den vormaligen südwestlichen Fasangarten und eine außerhalb des historischen Umfanges der Gartenanlage liegende Fläche nordöstlich des Schlosses bis zur Johann-Nepomuk-Kapelle ein, sodass die Gesamtfläche auf 104 Hektar anwuchs. Zum einem konnte damit ein weiterer Erhalt des Areals gewährleistet werden, zum anderen griff die Umgestaltung stark in die bis dahin weitgehend erhaltene Struktur der englischen Anlage ein und verunklärte dadurch die gartenarchitektonische Komposition des Landschaftsgartens. Durch die Einbindung des Bundesdenkmalamtes konnten aber wesentliche Teile, wie der Bereich zwischen Schloss und Orangerie und das Areal des Teiches, weitgehend unverändert erhalten werden.
Neben dem Golfclub Schloss Schönborn betreibt der Reitclub Schloß Schönborn im ehemaligen Meierhof einen Reitverein, dessen Reitplätze auf dem Areal des barocken Gartentheaters und späteren, in seinen Umrissen bis heute ablesbaren Gemüsegartens situiert sind.
Trotz der Eingriffe und Veränderungen sind an der erhaltenen Schloss-und Orangerieanlage von Schloss Schönborn die für die mitteleuropäische Gartengeschichte so bedeutende Schöpfung eines barocken Gesamtkunstwerkes durch den großen Architekten Johann Lucas von Hildebrandts bis heute ablesbar geblieben, ebenso wie der, dieses überformende englische Garten des späten 18. Jahrhunderts als einem der großen österreichischen Landschaftsgärten. Der Garten von Schloss Schönborn in Göllersdorf zählt damit trotz seiner Verluste uneingeschränkt zu den bedeutendsten historischen Gartenanlagen Österreichs.
Schloss und Garten sind in Privatbesitz. Das vom Golfclub Schloss Schönborn unterhaltene Parkareal ist für Mitglieder und Gäste des Golfclubs zugänglich. Der Meierhof und Reitplatzbereich ist für Mitglieder des Reitclubs Schloss Schönborn zugänglich. Die Orangerieanlage ist nicht zugänglich.
Text: © Thomas Baumgartner
Photos: © Christian Hlavac 2012
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