Salzburg: Hellbrunn
Die Gartenanlage von Hellbrunn
Das fünf Kilometer südlich des Stadtzentrums von Salzburg gelegene Hellbrunn ist die bedeutendste erhaltene manieristische Gartenanlage nördlich der Alpen.
Bereits 1421 ist ein Tiergarten um den Hellbrunner Berg urkundlich belegt, der als erzbischöfliches Jagdareal im Auwaldbereich der Salzach dient. Knapp 200 Jahre später lässt der neue Erzbischof von Salzburg Marcus Sittikus, Graf von Hohenems, in diesem Areal eine Villen- und Gartenanlage errichten. 1613, ein Jahr nach seiner Amtseinführung und noch ein Jahr vor der Grundsteinlegung des neuen Salzburger Domes, beginnen die Bauarbeiten. Marcus Sittikus lässt vermutlich von Santino Solari, dem auch der Neubau des Domes übertragen wird, eine nach neuesten italienischen Vorbildern entworfene Villa suburbana mit aufwendigen Gartenanlagen errichten. Bereits 1615 ist die reich ausgestattete Villa fertiggestellt, die man durch eine lange von Nebengebäuden gebildete Zufahrt, die sich zu einem Ehrenhof erweitert, erreicht. Im Untergeschoss der Villa befinden sich unterschiedliche, reich dekorierte und mit Wasserspielen ausgestattete Grottenräume, die zu den Gartenräumen überleiten.
Von der zentralen Neptungrotte gelangt man durch das Gartenportal zu den Außenanlagen. Gegenüber dem Gartenportal befindet sich als point de vue der von einer dreifachen Exedrenarchitektur mit zentraler Grotte gefasste Brunnen Altembs, als Verkörperung des Geschlechts der Hohenemser. Aus seinem "Sternbecken" fließt das Quellwasser in zwei quadratische Wasserbecken.
An diesen vorbei führt der "Fürstenweg" nach Nordwesten entlang dreier mit einander verbundener Fischbecken, die der nördlichen Schmalseite der Villa vorgelagert sind. Sie führen zur Orpheusgrotte und einem von einem römischen Theater abgeschlossenen Freiluft-Tafelraum mit dem "Fürstentisch", dessen Besonderheit neben einem Kühlbecken für Wein vor allem seine ausgeklügelten Wasser-Scherzspiele sind. Abgegrenzt davon befinden sich, östlich anschließend, weitere Gartenbereiche, darunter die in ihrer baulichen Rahmung noch erhaltene Fasanerie, sowie nicht mehr erhaltene Obstgärten mit abschlagbaren Feigenhäusern.
Verfolgt man vor dem Brunnen Altembs aber den Fürstenweg nach Südosten gelangt über zwei Wege zum großen Lustgarten. Ein östlich vom Fürstenweg abzweigender Weg führt vorbei an der freistehenden "Kronegrotte" auf die zentrale Längsachse des großen quadratischen Lustgartens. In dessen Mitte befindet sich ein großer Fischteich, der in seiner Querachse von zwei seitlichen kleineren Fischbecken flankiert wird. In der Mitte des großen Teiches befindet sich eine Insel, die über zwei Brücken in der Querachse zugänglich ist. Ursprünglich erhob sich in der Mitte der Insel der von einem Pavillon bekrönte "Erdbeerberg", unter dem sich wiederum eine Grotte befand. Der Lustgarten war entsprechend der zeitgenössischen Anlageform in einzelne rechteckige Kompartimente unterteilt, deren zwei erste als Irrgärten und die übrigen geometrisch gestaltet waren, die sich jedoch nicht erhalten haben. Ebenso verschwunden ist ein kleiner Pavillon an der Außenseite des südlichen kleinen Fischbeckens bei der Statue der Flora, der zum Fischfüttern diente. Erhalten hat sich aber die an der Westseite dieses Teiches gelegene offene achteckige Brunnenstube. Es bildet auch den Endpunkt der Fortsetzung des Fürstenweges. Dieser führt nach dem Brunnen Altembs vorbei an einer Serie von Brunnen, Grotten, Statuen und mechanische Automaten.
Der "Fürstenweg" führt wiederum zur Querachse des großen Lustgartens. Dieser war zusammen mit den Brunnen- und Grottenbereichen bis zum römischen Theater von einer, heute teilweise verschwundenen, Mauer umfasst, und vom Bereich des Tiergartens getrennt, der über einige Tore erreichbar war. In diesem befindet sich auf der Anhöhe des Hellbrunner Berges das kleine, ebenfalls 1615 errichtete Monatsschlössl, das einen weitläufigen Überblick über die Garten-und Villenanlage, den Tiergarten und die umliegende Gegend bis zur Stadt Salzburg bietet.
Südöstlich des Monatsschlössls liegt am Hang des Hellbrunner Berges das aus einem für den Bau der Anlage verwendeten Steinbruch gestaltete Felsentheater, in dem 1617 mit Claudio Monteverdis L´Orfeo die erste Opernaufführung nördlich der Alpen stattfand.
Ein weiteres, heute nicht mehr erhaltenes kleines Schlössl, das Belvedere, befand sich am südöstlichen Ende des Tiergartens. Es lag zunächst des ungewöhnlichsten Teils der Hellbrunner Anlage: Im südöstlichsten Teil des Tiergartens ließ Marcus Sittikus einen religiös-kontemplativen Bereich mit zahlreichen Eremitorien, Kapellen und einem Kreuzweg anlegen, die jedoch heute gänzlich verschwunden sind.
Bereits 1619 starb Marcus Sittikus, kurz vor Fertigstellung der Gesamtanlage. Von seinen Nachfolgern wurde die Anlage im Wesentlichen erhalten. Tiefergreifendere, von den fürsterzbischöflichen Garteninspektoren Matthias Diesel und Franz Anton Danreiter geplante barocke Umgestaltungen wurden nur teilweise umgesetzt. Das Parterre des großen Lustgartens wurde barockisiert, im Zuge dessen wurde der Erdbeerberg abgetragen und als Fortsetzung der Längsachse des Lustgartens eine Fichtenallee durch den Tiergarten angelegt. Anstatt der "Schmiedgrotte" am Fürstenweg entstand 1750-52 unter Erzbischof Jakob Friedrich Dietrichstein das "Mechanische Theater" mit seinen 134 mit Wasserkraft bewegten Figuren.
Um 1790 ließ Erzbischof Hieronymus von Colloredo die den Lustgarten vom Tiergarten abtrennende Mauer abbrechen und den zwischen dem Lustgarten und der Schlosszufahrt gelegenen Tiergarten-Zwickel landschaftlich gestalten.
Nachdem Salzburg 1803 in ein weltliches Fürstentum umgewandelt worden war, und 1816 endgültig an Österreich fiel, wurde Hellbrunn der hofärarischen Verwaltung unterstellt, die in der Anlage ebenfalls nur geringe Veränderungen durchführte. 1922 ging Hellbrunn in den Besitz der Stadt Salzburg über. Die Errichtung eines in diesem Jahr geplanten Festspielbezirkes im südlichen Teil des Tiergartens kam nicht zustande. 1960 wurde in diesem Areal und im anschließenden westlichen Hangbereich des Hellbrunner Berges der "Salzburger Tiergarten Hellbrunn" eingerichtet, der 2003 in die "Zoo Salzburg Gemeinnützige GmbH" umgewandelt wurde.
Die 63 Hektar umfassende Gesamtanlage von Hellbrunn ist bis heute in wesentlichen Teilen in ihrer erbauungszeitlichen Konzeption erhalten. Wenngleich, wie in allen anderen Vergleichsanlagen in Europa, die gärtnerische Gestaltung der Gartenkompartimente verloren gegangen ist und überformt wurde, ist die Anlage durch die weitgehende Erhaltung der Gesamtstruktur der Gartenanlage und ihrer baulichen Ausgestaltung von europäischer Bedeutung. Besonders die Brunnen- und Grottenanlagen einschließlich der Grottenräume der Villa stellen nicht nur aufgrund ihrer Vielzahl und ihres Gestaltungsreichtums ein herausragendes Element der Anlage dar. Bemerkenswert sind vor allem die bis heute in Funktion befindlichen Wasserscherzspiele und Wasserautomaten. Diese in den Gartenanlagen der Renaissance und besonders des Manierismus äußerst beliebten und typischen Spielereien sind in keiner anderen Anlage in Europa in diesem Umfang erhalten. Ebenso ist das Freilufttheater in Form eines Felsentheaters eine Besonderheit für eine Gartenanlage der Renaissance und des Manierismus. Außergewöhnlich für eine mitteleuropäische Gartenanlage - nicht nur des 17. Jahrhunderts - ist auch die an das Parterre der Villa Lante in Bagnaia angelehnte Schaffung eines "Wasserparterres" durch die formale Einbindung der Teiche in den geometrischen gestalteten Parterrebereich. Die Schaffung eines reich gestalteten religiös-kontemplativen, von den norditalienischen Sacri Monti inspirierten Gartenbereichs stellt, wenngleich nicht erhalten, eine gartenkunstgeschichtliche Besonderheit in Europa dar. Die Gartenanlage von Hellbrunn stellt damit nicht nur die einzige strukturell erhaltene vorbarocke Gartenanlage Österreichs und die bedeutendste erhaltene manieristische Gartenanlage nördlich der Alpen dar. Sie bildet in ihrer gestalterischen Einheit mit der Villa eines der bedeutendsten erhaltenen manieristischen Gesamtkunstwerke Europas.
Die Anlage befindet sich im Eigentum der Stadt Salzburg und wird von dieser mit Ausnahme des von der Zoo Salzburg Gemeinnützige GmbH. geführten Zoos verwaltet. Der Park von Hellbrunn und der Zoo sind ganzjährig geöffnet, die Villa von Ende März bis Anfang November.
Text: © Thomas Baumgartner
Bilder: © Astrid Göttche
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